Die städtische Wohnungsbaugesellschaft Gebag feierte jüngst ihr 150-jähriges Bestehen. Mittlerweile bewirtschaften die Duisburger rund 12.500 Wohnungen und positionieren sich als Flächenentwickler sowie Immobiliendienstleister. Dabei kümmert sich die Gebag um etwa 120 Hektar Entwicklungsfläche, die städtischen Kindergärten, das neue Verwaltungsgebäude der Stadt und auch das MSV-Stadion.
Sandra Altmann (38) arbeitet bei der Gebag als Bereichsleiterin für Unternehmensentwicklung und als Prokuristin. Im Nebenamt ist sie zudem Geschäftsführerin der städtischen Schulbaugesellschaft, Betriebsleiterin der städtischen Kindergärten und wird Geschäftsführerin der Stadionmanagement-Gesellschaft.
Frau Altmann, mit welchen Themen haben Sie in Ihrem Alltag hauptsächlich zu tun? Gibt es überhaupt einen Alltag?
Altmann: Nein, es gibt keinen Alltag. Jeder Tag ist anders. Das macht meinen Job ja so spannend. Meine klassischen Themen bei der Gebag sind die Unternehmensentwicklung, die Gremienarbeit und das Risiko- und Compliance-Management. Das sind Themen, die ich auch an der EBZ Akademie unterrichte. Auch die Abteilungen Personal, IT, Zentrale Services und Recht gehören zu meinem Unternehmensbereich. Für die Stadt Duisburg bin ich außerdem als kaufmännische Geschäftsführerin der städtischen Schulbaugesellschaft tätig und Betriebsleiterin der städtischen Kitas.
Am EBZ weitergebildet
Wie sind Sie in die Immobilienwirtschaft gekommen?
Altmann: Eigentlich war ich da sehr pragmatisch. Mein Abitur war mit 2,7 nicht besonders gut, aber Mathe lief super. Also habe ich mich für eine kaufmännische Ausbildung bei einer Kölner Wohnungsgenossenschaft entschieden – und wurde so Kauffrau der Grundstücks- und Wohnungswirtschaft. Heute ist das die Immobilienkauffrau. Ich habe dann noch einige Jahre im Bereich der Kölner Wohnungsgenossenschaften gearbeitet und mich parallel am EBZ weitergebildet.
Welche Weiterbildungen waren das?
Altmann: Zunächst habe ich mich zur Fachwirtin weitergebildet, weil die Studiengänge an der EBZ Business School noch nicht akkreditiert waren. Ehrlich gesagt habe ich mich mit meiner Abi-Note auch nicht so richtig ans Studium getraut. Später habe ich dann berufsbegleitend meinen Bachelor und den Master of Arts Real Estate Management gemacht.
Gab es einen Karrierefahrplan?
Altmann: Nein, den gab es nicht. Aber ich hatte einen Traum: Ich wollte ganz weit kommen, weil ich schon in der Ausbildung gemerkt habe, dass ich die Branche super finde und genau das gefunden habe, was ich machen möchte. Einen Plan, wie ich den Traum realisieren könnte, hatte ich nicht. Dafür ist es aber gut gelungen, würde ich sagen.
Was macht den Reiz der Branche aus?
Altmann: Von Anfang an war es die Vielseitigkeit. Viele reduzieren die Ausbildung zum Immobilienkaufmann darauf, dass man als Makler arbeitet. Dabei gibt es so viel mehr. Man schnuppert in rechtliche Themen wie Bau- oder Mietrecht, lernt Bestandsbewirtschaftung und bauliche Themen, Buchhaltung sowie Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen und vieles mehr.
Welche Rolle hat das EBZ gespielt?
Altmann: Das EBZ ist mein Wegbegleiter durch die Branche gewesen. Während der Ausbildung hat natürlich der Arbeitgeber bestimmt, dass ich die Berufsschule am EBZ besuche. Aber ich war dann schnell davon überzeugt, dass das gut ist, was ich am EBZ lerne. Später haben mich die Weiterbildungsmöglichkeiten überzeugt. Im Studium wurde ich von den einzelnen Professoren sehr individuell gefordert und gefördert. Wer hier will und motiviert ist, der kriegt alles hin und wird auf dem Weg begleitet.
"Jede Entscheidung hat eine große Tragweite"
Was ist das Besondere an einem Studium in der Immobilienwirtschaft?
Altmann: Die Immobilie ist das speziellste Wirtschaftsgut, das ich kenne. Sie ist nicht nur immobil, sondern auch besonders langlebig und kapitalintensiv. Jede Entscheidung, die wir treffen, hat eine große Tragweite. Dazu kommt der Nachhaltigkeitsgedanke in wirtschaftlicher, ökologischer und sozialer Hinsicht. Unser Auftrag zur Nachhaltigkeit ist noch einmal viel größer als in anderen Branchen.
Diese Denke verbinden viele Außenstehende erst einmal nicht mit der Immobilienwirtschaft. Der Branche eilt der Ruf voraus, aus reinem Profitstreben, Wohnungen zu vermieten…
Altmann: … Das gibt’s auch.
War das je ein Reiz für Sie?
Altmann: Auch als kommunales Unternehmen können wir nie die Ökonomie vernachlässigen. Aber es gibt schon einen Grund, warum ich immer in genossenschaftlichen oder kommunalen Unternehmen tätig war: Mich hat die nachhaltige Herangehensweise einfach überzeugt. Ökonomie und Governance sind auch für uns die Grundlage unseres Handelns, darüber hinaus wollen wir Entscheidungen jedoch so treffen, dass sie maximal sozial und maximal ökologisch sind.
Welche Rolle spielt in dieser Hinsicht die Ausbildung am EBZ?
Altmann: In der Ausbildung am EBZ spielt Nachhaltigkeit eine große Rolle und das hat mich auch geprägt. Gerade die Studiengänge haben einen starken Bezug zu Nachhaltigkeitsaspekten. Das hat mich auch dazu motiviert, meine Masterarbeit über den Eisspeicher zu schreiben. Das würde man vielleicht eher bei einem Ingenieur erwarten und nicht bei einer Kauffrau, aber durch die Themensetzung und Förderung an der EBZ Business School habe ich mir das zugetraut und eine tolle Masterarbeit geschrieben.
"Man kann themenübergreifend denken"
Gerade in der aktuellen Zeit werden technische Themen immer wichtiger. Ist das eine neue Herausforderung für Sie?
Altmann: Das haben wir schon immer mitgedacht. Neu ist, dass alles zur gleichen Zeit kommt. Dennoch haben wir schon vor den aktuellen Krisen Nachhaltigkeit mitgedacht und das wird auch am EBZ gelehrt. Ich würde sagen, dass man einen wirklich breiten Überblick bekommt und darum themenübergreifend denken kann. Ich profitiere sehr von den vielen technischen Inhalten, die im Studium vermittelt wurden.
Sie arbeiten in Duisburg, einer Stadt mit großen sozialen Herausforderungen, mit denen die Stadt auch in der Vergangenheit immer sehr offen umgegangen ist. Wie meistern sie einerseits diese sozialen Aufgaben gemeinsam mit den technischen Aufgaben?
Altmann: Dieses Spannungsfeld gibt es in jeder Stadt. Duisburg ist aber ehrlich und hat es verdient, gut behandelt zu werden. Bis 2014 hatten wir einen Bevölkerungsrückgang in der Stadt. Seit der ersten Flüchtlingswelle 2015 nimmt die Bevölkerungszahl wieder zu. Inzwischen halten sich Zu- und Fortzüge ungefähr die Waage, und wir sind wieder bei rund 500.000 Einwohnern angelangt. Die Stadt ist außerdem sehr kinderreich, bunt und vielfältig – andererseits aber auch in NRW eine der Städte mit dem geringsten Haushaltseinkommen. Als kommunales Wohnungsunternehmen wollen wir langfristig und verlässlich bezahlbare Wohnungen in einer guten Qualität für unsere Mieterinnen und Mieter zur Verfügung stellen. Dazu müssen wir an ganz vielen Stellen arbeiten, sei es in der Flächen- und Quartiersentwicklung, am technischen Fortschritt oder beim Denken neuer Modelle, wie man mit Klimaschutz, Baustoffmangel und steigenden Kosten umgeht.
Duisburg verfügt über zahlreiche ehemalige Industrieareale…
Altmann: … Ja, Strukturwandel können wir schon…
… , auf denen jetzt Wohnungen gebaut werden. Für wen?
Altmann: Auf der Fläche Wedau Nord, dem alten Ausbesserungswerk der Bundesbahn, entsteht ein Technologiezentrum. Das wird noch ein bisschen dauern, der Bebauungsplan könnte 2024 in Kraft treten. Nicht weit davon entfernt entwickeln wir die Fläche „6-Seen-Wedau“, die zum Glück in aller Munde ist. Dort entstehen auf rund 60 Hektar fast 3000 neue Wohnungen. Das ist ein ganz neuer Stadtteil in attraktiver Lage im Grünen mit hohem Freizeitwert, in der Nähe der Stadtgrenze zu Düsseldorf und zur Duisburger Innenstadt. Es entsteht Wohnraum für jedermann. Wir werden etwa 300 öffentlich geförderte Wohnungen errichten und stehen mit dem Land Nordrhein-Westfalen in Kontakt, um hier qualitativ hochwertigen geförderten Wohnungsbau umzusetzen. Es wird Wohneigentum und Mehrfamilienhäuser geben, errichtet sowohl von der Gebag als auch von freien Investoren und Projektentwicklern. Derzeit erschließen wir die Fläche und vermarkten sie. Beim Vermarktungskonzept gewichten wir zu 60 Prozent die Qualität der eingereichten Entwürfe und zu 40 Prozent den gebotenen Preis. Städtebauliche Qualität geht also vor, und trotzdem erreichen wir vernünftige Preise.
Mit welchen Argumenten lockt Duisburg Menschen in die Stadt?
Altmann: Ich weiß gar nicht, ob wir locken müssen. Duisburg hat natürlich nicht den besten Ruf, das weiß ich als gebürtige Kölnerin. Der Vorteil dabei ist, dass alle, die nach Duisburg kommen, positiv überrascht sind. Wir sind sicherlich ein B-Standort, aber bei den aktuellen Bau- und Finanzierungskosten schlägt jetzt die Stunde der B-Standorte. Wir sind da, wo wir stehen, genau richtig und werden Strukturwandel vorleben und ein Showcase der neuen Urbanität für andere Städte und vielleicht sogar Länder werden, gerade weil wir so viele alte Industrieflächen haben, die wir entwickeln können.
Besteht dabei die Gefahr, Schlafstadt für Düsseldorf zu werden?
Altmann: Das hoffe ich nicht und das ist auch nicht unser Ziel. Wir haben natürlich einige Zuzügler aus Düsseldorf, die weiterhin in Düsseldorf arbeiten. Aber es pendeln auch viele Menschen aus anderen Ruhrgebietsstädten nach Duisburg ein. Umso wichtiger ist es, auch die wirtschaftliche Stärke Duisburgs ins Auge zu nehmen. Duisburg kann Transformation – und das zeigt sich auch bei den hier ansässigen Unternehmen und Start-Ups.
"Wir denken das Thema Mobilität mit"
Was unternehmen Sie, um ein neues Quartier wie die 6-Seen-Wedau auch an den ÖPNV anzuschließen. Gerade der Schienenverkehr ist in Duisburg eine Herausforderung.
Altmann: Die verkehrliche Erschließung für unsere großen Flächenentwicklungen ist das A und O. Nur so kann es gelingen, tatsächlich die Verkehrswende einzuleiten und dem Umweltverbund Vorfahrt einzuräumen. Das ist keine einfache Aufgabe, da die Planungszeiträume – vor allem im schienengebundenen Nahverkehr – noch einmal andere sind. Für unser Projekt 6-Seen-Wedau möchten wir die günstige Lage an der Ratinger Weststrecke nutzen, welche zum Glück wiederbelebt werden soll. Wir denken bei jeder größeren Quartiersentwicklung das Thema Mobilität mit und versuchen schon ganz zu Beginn der Planungen Verkehrs-, Energie- und Klimakonzepte zu hinterlegen. Diese elementaren Infrastrukturen sind für uns die Grundlage nachhaltiger Stadt- und Quartiersentwicklung.
Die Gebag positioniert sich in Duisburg sehr stark auf dem Immobiliensektor. Bedeutet das im Umkehrschluss, dass Duisburg nicht attraktiv genug für andere Unternehmen und Investoren ist?
Altmann: Braucht man nicht einen Player, der für schöne Wohnungen, gute Schulen und Kindergärten steht und eben nicht die maximale Rendite anstrebt, sondern bereit ist, für tolle Quartiersentwicklung und gute pädagogische Konzepte Geld in die Hand zu nehmen? Und braucht es bei der Flächenentwicklung nicht Menschen, denen die städtebauliche Qualität wichtiger ist als einem Investor, der eine Fläche kauft, brach liegen lässt und nach Jahren weiterverkauft? Ich denke, schon. Und da ist die Gebag genau richtig. Gerade feiert die Gebag übrigens ihren 150sten Geburtstag. Ich würde sagen, damit können wir auf einen reichen Erfahrungsschatz zurückgreifen, den wir im Sinne Duisburgs einsetzen.