Mietendeckel – es trifft die Falschen
Ein Kommentar von Prof. Dr. Günter Vornholz zum Thema Mietendeckel:
Die Wohnungsknappheit in den Großstädten und die zunehmenden Proteste der Bevölkerung bzw. Mieter führen in der Politik zu immer neuen Ideen. Bislang gibt es schon Regeln für Mieten von Bestandswohnungen. Mietpreisbremse und Kappungsgrenze haben aber nur begrenzt Erfolg gegen die Mietsteigerungen gebracht. So hat sich der Protest in der Bevölkerung stetig erhöht. Nach der Mietpreisbremse, die nur bedingt Erfolg hatte, soll nun der Mietendeckel die Lösung sein.
Mithilfe des Mietendeckels („Berliner Mietengesetz“) soll der rasante Anstieg der Mieten in Berlin gebremst und dem Mietmarkt sozusagen eine Atempause verschafft werden. Vorgesehen ist ein Mietenmoratorium, sodass bei bestehenden Mietverhältnissen die Miete fünf Jahre lang nicht erhöht werden darf. Und sogar eine Mietsenkung kann auf Antrag durchgesetzt werden, wenn der Mietpreis überhöht ist. Dazu notwendig ist eine allgemeingültige Mietobergrenze, die noch durch den Gesetzgeber zu definieren wäre. Es soll aber auf Antrag auch Ausnahmeregelungen für wirtschaftliche Härtefälle geben.
1. Ökonomisch-theoretische Erklärung
Volkswirtschaftlich gesehen handelt es sich bei derartigen politischen Eingriffen um staatlich festgelegte Höchstpreise. Während das Angebot fix ist und sich kurzfristig nicht verändern lässt, hängt die Nachfrage von der Miethöhe ab. Die politisch festgelegte Höchstmiete liegt unterhalb des sich eigentlich durch Angebot und Nachfrage ergebenen Marktpreises. Bei dem Mietendeckel besteht eine höhere Nachfrage als Angebot vorhanden ist, da sich mehr Haushalte auch eine Wohnung zu der niedrigeren Miete leisten können.
2. Verschärfte Konkurrenz bei den Mietern
Bei der Nachfrage ist zwischen zwei Gruppen zu unterscheiden, nämlich die, die schon eine Wohnung (bzw. Mietvertrag) hat und die, die eine Wohnung sucht (auch wenn sie aktuell in einer wohnen). Profitieren werden auf den ersten Blick die Mieter mit einem bestehenden Mietvertrag. Ihre Mieten werden bei einem Mietdeckel nicht erhöht und gleichzeitig die Einkommen steigen. Insgesamt kommt es daher zu einer geringeren Mietbelastung. Aber auch sie werden Nachteile haben. Durch die Deckelung haben Vermieter kaum noch Anreize, in die Instandsetzung und Modernisierung zu investieren, weil sie die Wohnung bei den gegebenen Mieten ohnehin vermieten können. So kann sich die Qualität der Wohnung und des Wohnumfeldes mittel- bis langfristig verschlechtern.
Die Haushalte, die jedoch eine Wohnung suchen, werden eindeutig benachteiligt. Instrumente wie der Mietendeckel bieten keinen Anreiz, eine einzige Wohnung zu bauen. Es wird für viele Menschen schwieriger, eine Wohnung zu finden. Bei der niedrigen Höchstmiete ist die Nachfrage größer als das Angebot, so dass andere Mechanismen als der Preismechanismus zum Zuge kommen. Es droht die Gefahr von Wartelisten oder Schattenmärkten (z. B. Abstandszahlungen), die von den Vermietern als Alternative gewählt werden. Vermieter werden im Zweifelsfall auch eher an einkommensstarke Haushalte – womöglich ohne Kinder – vermieten. Das bedeutet für die, die eigentlich bedürftig sind, also geringe Einkommen oder besondere Probleme haben, dass sie nicht mehr zum Zuge kommen.
Außerdem ist zu erwarten, dass der Mietmarkt deutlich weniger flexibel wird. Den Mietern werden potenziell weniger Wohnungen zur Verfügung stehen. Zum einen ist mit einem höheren Zuzug in die Städte zu rechnen, da die Wohnungen nicht mehr so teuer erscheinen. Auch werden wiederum andere feststellen, dass ein Wohnungswechsel schwierig ist, sie bleiben also in ihren Wohnungen. Der Wohnungsmarkt wird damit schwieriger zugänglich sein. Zum anderen sind weniger Wohnungen für Mieter zu erwarten. Vermieter werden wohl vermehrt an Selbstnutzer verkaufen, weil diese eine hohe Zahlungsbereitschaft haben. Der Mietwohnungsmarkt würde kleiner werden und so die Knappheit insgesamt sogar noch verschärft.
3. Auswirkungen für die Wohnungsunternehmen
Für die Vermieter entsteht der offensichtliche Nachteil, dass sie durch den Mietendeckel keine steigenden Einnahmen haben und weniger Überschuss bzw. Rendite erzielen werden.
Kurzfristig kommt auf sie bei stabilen Einnahmen eine steigende Kostenbelastung zu. Bei der allgemeinen Inflation werden sich auch die Kosten für die Wohnungsunternehmen ausweiten. So werden die Kosten beispielsweise für Personal oder Instandhaltung auch in den nächsten Jahren weiter steigen. So können Wohnungsunternehmen, die weniger Überschüsse zur Verfügung haben, ihren Bestand nicht mehr modernisieren oder energetisch sanieren.
Mittel- bis langfristig wird der Mietendeckel zu rückläufigen Investitionen führen. Ohne die Möglichkeit zu moderaten Mietanpassungen werden Wohnungsunternehmen wirtschaftlich nicht mehr in der Lage sein, den Anforderungen der Mieter gerecht zu werden. Das wird zu Lasten des Bestandes gehen. Eine abnehmende Investitionstätigkeit infolge des Mietendeckels wird auch dazu führen, dass notwendige Investitionen unterbleiben.
Wohnungsunternehmen brauchen die Möglichkeit zu moderaten Mietsteigerungen, um ihre Investitionen wie dem Neubau oder Instandhaltung der Gebäude nachkommen zu können. Weiterhin besteht die Gefahr, dass beispielsweise Hausprojekte künftig nicht mehr finanzierbar wären, da die Investition nicht mehr rentabel ist. Somit kommt es zu weniger Wohnungsneubau und damit ein im Verhältnis zur Nachfrage zu langsam steigendes Wohnungsangebot.
4. Mietendeckel trifft die falschen Vermieter
Der Senat von Berlin will mithilfe des Mietdeckels radikal weitere Mietsteigerungen verhindern. Durch die allgemeingültige Regelung werden aber auch Vermieter getroffen, die gar nicht für die exorbitanten Mietsteigerungen der letzten Jahre verantwortlich sind. Die Mieten privater Eigentümer und vor allem der großen privaten Wohnungsunternehmen sind viel schneller gestiegen als die der Genossenschaften und kommunalen Wohnungsgesellschaften. Die Mitgliedsunternehmen des GdW zeichnen sich nicht nur dadurch aus, dass zum einen die Mieten niedriger sind, sondern zum anderen auch die Mieten geringer angestiegen sind.
Bei einem Vergleich der Mietentwicklung der preiswerten Wohnungen in den 7 A-Städten mit den Sollmieten (Betrag, der erzielbar wäre und im Mietvertrag vereinbart wird) der GdW-Mitgliedsunternehmen zeigt sich folgendes Bild. Die GdW-Wohnungsunternehmen weisen die geringere Miethöhe auf. Die Miete in den großen Städten ist um rund 50 Prozent bei den Wiedervermietungen und um ca. 80 Prozent beim Erstbezug höher als die Sollmiete. Auch beim Mietwachstum zeigt sich das gleiche Bild. In den großen Städten stiegen die Mieten in diesem Jahrzehnt um ungefähr 50 Prozent, während das Wachstum bei den GdW-Wohnungsunternehmen nur 20 Prozent betrug. Der Mietendeckel würde damit auch die Wohnungsunternehmen treffen, die nicht für die problematische Wohnsituation verantwortlich sind.
5. Fazit
Der Mietendeckel deckelt zwar die explosive Stimmung auf den Wohnungsmärkten, schafft aber keine neue Wohnungen. Die Regelung trifft zudem auch die Wohnungsunternehmen, deren Mieten in den letzten Jahren nur moderat gestiegen sind. Notwendig sind allerdings zielgerichtete, temporäre Mietenregulierungen, die die wahren Verursacher der Preistreiberei bei den Mieten treffen.
Dr. Günter Vornholz, Prof. für Immobilienökonomie an der EBZ Business School in Bochum