Es gibt sie: Smarte, energieeffiziente Technik, die im Haushalt über Tablets oder Smartphones gesteuert wird und hilft, viel (Heiz-)Energie zu sparen. In Zeiten der Klimawende eine digitale Schlüsseltechnologie. Aber – was ist mit dem Mieter? Nutzt er diese Technik? Wenn ja: richtig? Und wie muss sie beschaffen sein, dass er sie möglichst erfolgreich im Sinne der Energieeffizienz einsetzt? Das neue, über drei Jahre laufende Forschungsprojekt „VISE-I: Smart User Interfaces und Feedbackfunktionen“, vom NRW-Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie mit einer Fördersumme von 800.000 Euro ausgestattet, geht diesen Fragen nach. Einer der drei Projektpartner ist Prof. Dr.-Ing. Viktor Grinewitschus, Experte für Energiefragen der Immobilienwirtschaft von der EBZ Business School (FH), mit seinem Team.
Das inter- und transdisziplinäre VISE-I-Forschungsprojekt wird durch das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie koordiniert. Projektpartner sind die Technische Hochschule Köln (THK) und die Bochumer Immobilienhochschule EBZ Business School. Als der Zuschlag kam, war Prof. Grinewitschus hocherfreut, obwohl dieser Erfolg nicht von ungefähr kommt. Erst vor wenigen Monaten endete das drei Jahre laufende „BaltBest“: Dieses größte Forschungsprojekt seiner Art in Deutschland, vom Bundeswirtschaftsministerium mit 1,1 Millionen Euro gefördert, wurde von Prof. Grinewitschus geleitet. Untersucht wurden Heizungsaltanlagen im Wohngebäudebestand, wobei das Zusammenwirken von Heizanlagentechnik, Bauphysik und Mieterverhalten im Fokus stand.
Nachgewiesen: große Einsparpotenziale – wenn der Mieter mitspielt
„Wir konnten bei BaltBest große Einsparpotenziale nachweisen, unter anderem beim Mieterverhalten“, so Prof. Grinewitschus. „Klar wurde, dass sich Technik und Mieterverhalten wechselseitig beeinflussen. So ließen sich Energieeinsparpotenziale beim Einsatz smarter Thermostate von bis zu 16 % erzielen – aber nur, wenn die Mieter diese auch bestimmungsgemäß nutzten.“ Andere Untersuchungen zeigen, dass auch Feedback über den aktuellen Energieverbrauch von großem Nutzen ist: Erhalten die Mieter eine direkte, unmittelbare Rückmeldung, die anschaulich ist und über Apps oder Home-Displays läuft, sind bis zu 14 % Energieeinsparungen realisierbar. Diese Mensch-Technik-Schnittstelle legt das neue Forschungsprojekt VISE-I unters Mikroskop.
Dabei geht es im Kern darum, den Einfluss von Benutzeroberflächen (Interfaces) energiewenderelevanter Technologien (Smart Energy Technologien) auf Energieeffizienzpotenziale im Haushaltsbereich systematisch zu erfassen. Die Forscher möchten nicht nur klären, welche Einspareffekte es gibt, sondern, inwiefern Smarte Technologie darauf einwirkt, also welche Arten von User-Interfaces hilfreich sind:
- Welche Feedback-Funktionen und Feedback-Arten (Push-Benachrichtigungen, E-Mails, Ton-Signale usw.) werden von den Nutzern bevorzugt?
- Welche Energiedaten (Temperatur- und Verbrauchsdaten aus Heizkostenverteilern, Stromverbräuche usw.) helfen beim Energiesparen?
- Wie können diese Daten zur Verfügung gestellt werden und welche Daten-Infrastruktur wird hierfür benötigt?
- Wie müssen Bedienungsanleitungen des Herstellers gestaltet sein?
- Wie kann die Implementierung von Smart-Energy-Lösungen für Wohnungsbaugesellschaften und Energiedienstleister unterstützt werden?
Seit Anfang des Jahres müssen Mieter monatlich eine unterjährige Verbrauchsinformation erhalten, damit es einfacher ist, energiesparendes Verhalten in seiner Wirkung richtig einzuschätzen. Das Projekt VISE-I geht noch einen Schritt weiter: Haushalte sollen nicht nur Informationen über ihren Verbrauch, sondern auch konkrete Handlungsempfehlungen erhalten, die sich aus dem Raumklima und aus der Nutzung der smarten Technik ableiten. Da die Raumtemperaturregelung nur mit großer zeitlicher Verzögerung funktioniert, ist es sinnvoll, aus dem Nutzerverhalten Zeitprofile für die Temperatur der Räume abzuleiten, die dann von der Smart-Home-Technik automatisch umgesetzt werden.
Prof. Grinewitschus: „Gerade Mieterhaushalte stehen durch die drastisch gestiegenen Heizkosten vor großen Herausforderungen. Einsparpotenziale beim Verbrauch in der Größe von bis zu 20 % sind zweifellos da, unser Projekt wird Wege aufzeigen, wie diese schnell gehoben werden können. So leistet VISE-I auch einen großen Beitrag zum Klimaschutz in der Immobilienwirtschaft.“
Klimaschutz durch Nutzerfeedback
Die kaum zu überschätzende Bedeutung des mit dem Projekt verfolgten Ansatzes ergibt sich aus der Ausgangslage. Der Gebäudesektor macht ca. 35 % des gesamten deutschen Endenergieverbrauchs aus. Davon schlägt der größte Anteil von mehr als zwei Drittel für die Raumwärme zu Buche. Geht es um Dekarbonisierung, CO2- und Energieeinsparung bei den Haushalten – die noch zum größten Teil fossile Brennstoffe nutzen –, sind Effizienzsteigerungen im Wärmebereich nötig. Dazu benötigen Haushalte Informationen, wieviel Energie sie verbrauchen und vor allem, wie sie ihren Verbrauch senken können. Darüber hinaus bleiben gegenwärtig auch Informationen darüber, ob Möglichkeiten zu Optimierungen bestehen, etwa weil ein Fehlverhalten oder defekte bzw. falsch eingestellte Anlagen und Geräte vorliegen, oftmals im Dunkeln.
Prof. Grinewitschus: „Man denke nur an die Klimapfade 2030/45, die Energiewende und die Lösungsansätze: an Sektorenkopplung, dezentrale Energieversorgung, an den Quartiersansatz mit seinen Energie-, Mobilitäts- und Dienstleistungskonzepten und vieles andere. Dann liegt das Potenzial einer nutzerfreundlichen Digitalisierung der Gebäude auf der Hand. Und es ist klar: Der Ausbau smarter, also digitalisierter Strukturen im Haushalt muss dringend vorangetrieben werden. Das ist auch für das Erreichen der Klimaschutzziele in der Immobilienwirtschaft essenziell. VISE-I ist ein weiterer, wichtiger Schritt auf dem Weg dahin.“