Viele reden darüber, Hamminkeln setzt es um: Das Rathaus der Stadt senkte seinen Gasverbrauch durch niedriginvestive Maßnahmen witterungsbereinigt um 45 Prozent. Umgesetzt wurde das ambitionierte Vorhaben mit dem erfahrenen Experten und Vorsitzenden des Hamminkelner Klimabeirats, Dr.-Ing. Viktor Grinewitschus, Professor für Energiefragen der Immobilienwirtschaft an der EBZ Business School (FH). Dort vermittelt er sein Know-how in mehreren neuen und innovativen Studiengängen.
„Als Hamminkeln 2019 den Klimanotstand ausrief, erlangte die niederrheinische Stadt bundesweite Berühmtheit. Es scheint daher passend, dass der Ort beim Thema Klimaschutz mit gutem Beispiel vorangeht. Allen voran Bernd Romanski, Bürgermeister von Hamminkeln, der das Projekt initiierte. Auch aufgrund der aktuellen politischen Lage beschloss er, dass der Gasverbrauch im Rathaus umgehend reduziert werden müsse.
Unterstützung erhielt die Verwaltung von Prof. Dr.-Ing. Viktor Grinewitschus. Als Professor für Energiefragen der Immobilienwirtschaft an der Immobilienhochschule in Bochum leitete der Experte bereits zahlreiche Forschungsprojekte, die sich mit der Erhöhung der Energieeffizienz durch niedriginvestive Maßnahmen befassen, z.B. im Bundesumweltministerium oder wie bei „BaltBest“. Dieses Projekt befasste sich mit dem Einfluss der Betriebsführung auf die Effizienz von Heizungsaltanlagen im Bestand und wurde mit 1,1 Mio. Euro vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert.
Für das Forschungsteam rund um Prof. Grinewitschus war die Herausforderung in Hamminkeln nicht neu, verhalf es doch auch dem Bonner Land- und Amtsgericht zum energieeffizienten Heizen. Die Wissenschaftler verfügen über Erfahrung, Kompetenz, technische Instrumente sowie notwendiges IT-Know-how und Digitalisierungstools, um beispielsweise Kommunen bei solchen Vorhaben zu begleiten.
„Es galt, das Gesamtsystem aus Anlagentechnik und Nutzerverhalten zu optimieren“
Zunächst wurde das Rathaus in Hamminkeln mit einem Monitoringsystem von E.ON ausgestattet, welches Prof. Grinewitschus Daten über den Strom- und Gasverbrauch lieferte. Anhand der Zahlen konnten Auswertungen getätigt und aus diesen Maßnahmen zum energieeffizienten Heizen abgeleitet werden. Prof. Grinewitschus: „Die Schlüssel zum Erfolg liegen bei der Anlagenbetriebsführung und beim Nutzerverhalten.“
Die Daten ergaben, dass der tägliche Gasverbrauch durchschnittlich bei 120 Kilowattstunden je ein °C Unterschied zwischen Innen- und Außentemperatur lag. Auch zeigte sich zu Beginn der Aufzeichnungen, dass der bereinigte Gasverbrauch pro Tag an den Wochenenden und Feiertagen sowie in den Ferien nicht wesentlich kleiner wurde. Die Heizung lief durch, auch wenn sich keine Verwaltungsangestellten im Rathaus befanden. Daraufhin wurden als Gas-Einsparmaßnahme zunächst die Temperaturen an Zeiten ohne Betrieb z. B. am Wochenende oder an Feiertagen abgesenkt. Stieg die Außentemperatur über 15 Grad, wurden die Heizungen abgestellt. Auch defekte Stellventile in der Heizzentrale wurden entdeckt und repariert.
„Energie sparen muss Spaß machen“
Das reichte noch nicht aus, um den Energieverbrauch wesentlich zu senken: Für das Gelingen war es wichtig, auch die Verwaltungsangestellten mitzunehmen. So gab Prof. Grinewitschus Bürgermeister Romanski täglich eine „Wasserstandsmeldung“ über den Gasverbrauch, den dieser an einen eigens für die Challenge angelegten E-Mailverteiler an die Belegschaft weitergab und zum Mitmachen appellierte. Richtiges Lüften und achtsames Heizen wurden zur Teamarbeit erklärt – und erfolgreich umgesetzt: Bei Mitarbeiterbefragungen ergab sich, dass 72 Prozent ihr Heizverhalten verändert haben. 66 Prozent von ihnen haben niedrigere Werte auf dem Thermostat eingestellt und 50 Prozent nach Feierabend komplett heruntergeregelt.
„Nie war es so einfach wie heute, nie so dringend wie jetzt“
Als Zielwert für den Gasverbrauch führten die Protagonisten die „UHu“-Formel ein. „Auf unter hundert“ Kilowattstunden pro °C Temperaturdifferenz zwischen innen und außen sollte sich der Verbrauch einpendeln. Professor und Rathaus-Chef wetteten um ein 50-Liter-Fass Bier.
Noch nie hat Verlieren Prof. Grinewitschus so viel Freude bereitet. Gerne sponsort er zum Betriebsfest das 50-Liter-Bierfass, denn Wettschulden sind Ehrenschulden. Bei all dem Spaß an der Sache ließ sich der Experte zum Abschluss allerdings einen mahnenden Appell nicht nehmen: „Noch nie war es so einfach wie heute, Energie einzusparen, und gleichzeitig war es noch nie so dringend wie jetzt. Wir müssen nun handeln. Die Werkzeuge sind erprobt und stehen bereit. Ausreden zählen nun nicht mehr.“
Für Kommunen in Deutschland könnte dies ein gangbarer Weg sein, eine demnächst „ganz regulär“ anstehende Kostenexplosion der Gasversorgung zu dämpfen. „Ganz regulär“ deshalb, weil ihre befristeten Gasversorgungsverträge auslaufen. Erste Kommunen in dieser Situation haben aktuell die leidige Erfahrung gemacht, auf die Ausschreibung eines neuen Gasversorgungsvertrages nicht ein einziges Angebot erhalten zu haben. Das bedeutet, dass sie in bald in die Grundversorgung rutschen. Und die ist mitunter doppelt so teuer wie der Altvertrag.
Neue Studienprogramme – zur Klimawende beitragen
Prof. Grinewitschus ist als Prorektor für Forschung mitverantwortlich für die neue Schwerpunktsetzung der EBZ Business School – University of Applied Sciences (FH). Zwei neu konzipierte Bachelor-Studienprogramme behandeln schwerpunktmäßig Klimathemen: der Studiengang „Nachhaltiges Energie- und Immobilienmanagement“ und der Studiengang „Kommunales Immobilienmanagement“. Hier werden die dringend benötigten Kompetenzen vermitteln, die es braucht, um die Klimawende auch in der Immobilienwirtschaft zu moderieren.